Kommt der Bus im Burgenlandkreis bald ohne Fahrer?
Pionierarbeit im JTF-Projekt
23. September 2025 | Lesezeit: ca. 3 Minute(n)Mit knapp sechs Millionen Euro aus dem Just Transition Fund (JTF) stellt sich der Burgenlandkreis der Aufgabe, moderne Verkehrslösungen in ländlichere Regionen zu bringen. Ziel ist ein öffentlicher Nahverkehr, der besser erreichbar, moderner und zukunftsfähiger ist – vor allem auf dem Land. Eines der spannendsten Teilprojekte ist der Einsatz autonomer Fahrzeuge.
Die Region durchläuft einen tiefgreifenden Wandel. Neue Wege sind gefragt, auch im Nahverkehr. Der Burgenlandkreis will diese Herausforderung als Chance nutzen und erhielt dafür EU-Fördermittel aus dem Just Transition Fund. Im Rahmen eines groß angelegten Projekts zur „Verbesserung der Mobilitätsangebote“ wird in vier Teilprojekten daran gearbeitet, die öffentliche Mobilität neu zu denken.
Dazu zählen:
On-Demand-Verkehre: Fahrten auf Abruf per App oder Telefon, mindestens eine Stunde im Voraus buchbar. Ein flexibles Zusatzangebot zum Liniennetz, das zunächst in der Region Bad Bibra/Eckartsberga startet.
Digitale Fahrgastinformation: Bildschirme an Haltestellen zeigen in Echtzeit an, wann der nächste Bus kommt und welche Anschlüsse erreichbar sind.
Autonomes Fahren: Fahrerlose Busse als innovativster Teilbereich und damit ein echtes Leuchtturmprojekt.
Wissenschaftliche Begleitung: Die Otto-von-Guericke Universität, die Hochschule Anhalt und die Hochschule Merseburg analysieren Nutzerbedarfe, begleiten die technische Entwicklung und unterstützen die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Getragen wird das Projekt von einem starken Netzwerk. Federführend sind dabei die Kreisverwaltung des Burgenlandkreises und der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA), unterstützt von der Personenverkehrsgesellschaft (PVG) Burgenlandkreis mbH und mehreren Hochschulen.
Autonomes Fahren: Der Schritt ins Morgen
Busse, die ohne Fahrer unterwegs sind – aus dieser Zukunftsvision wird im Burgenlandkreis bald Realität. Nicht als Spielerei, sondern als Teil des regulären Linienverkehrs. „Unser Ziel ist ein dauerhaft genehmigter Betrieb autonomer Fahrzeuge mit bis zu 50 km/h. Ohne Sicherheitsfahrer, gesteuert über eine Leitstelle. Das wäre ein Novum in Deutschland“, erklärt Gerd Pichotta, Sachbearbeiter im Amt für ländliche Entwicklung und zuständig für den ÖPNV im Landkreis. Noch steckt das Vorhaben in der Planungsphase, doch die Vision ist klar und der Nutzen liegt auf der Hand: Autonom fahrende Kleinbusse können abgelegene Orte besser anbinden, ohne dauerhaft Personal einsetzen zu müssen. Sie schaffen Erreichbarkeit, wo klassische Linienangebote oft unwirtschaftlich sind. Zudem könnten Erfahrungen aus dem Burgenlandkreis zum Vorbild für andere ländliche Regionen werden.

Zwei Testregionen, zwei Realitäten
Getestet wird an zwei Orten mit völlig unterschiedlichen Anforderungen:
Arche Nebra: Das Gelände rund um das Besucherzentrum im Unstruttal ist touristisch geprägt, landschaftlich reizvoll und infrastrukturell herausfordernd. Hier gibt es teilweise geschotterte Wege, keine markierten Fahrbahnen, wenig Verkehr – dafür viel Potenzial für ein autonomes Shuttle-Angebot für Besucher.
Industriepark Zeitz: Bei diesem Testgebiet geht es vor allem um die Erreichbarkeit der einzelnen Unternehmen innerhalb des Industrieparks und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Gute Wege sind vorhanden, genau wie das Potenzial durch Pendler.
Technik trifft Wissenschaft
In Zusammenarbeit mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) und der Hochschule Merseburg entsteht derzeit eine Machbarkeitsstudie. Sie prüft Straßenbreite, Untergrund, überhängende Bäume, Funkverbindung, Verkehrsaufkommen und viele weitere relevante Kriterien. Parallel läuft die Markterkundung: Welche Fahrzeuge erfüllen die Anforderungen? Welche Anbieter liefern Komplettpakete mit Sensorik, Software und Leitstellentechnik?
„Wir stehen an einem Punkt, an dem der Rechtsrahmen für fahrerloses Fahren geschaffen ist. Jetzt wollen wir in die Praxis kommen. Mit diesem Projekt wird versucht, den Betrieb ohne Sicherheitsfahrer umzusetzen“, sagt Sönke Beckmann, Projektleiter seitens der OVGU. Die Vision ist, einen Regelbetrieb zu etablieren, der über die heute üblichen Probegenehmigungen hinausgeht.
Ausblick: Der Weg in den Regelbetrieb
Ob in Nebra oder Zeitz – der Burgenlandkreis will zeigen, dass technologische Innovationen auch auf dem Land realisierbar sind. Gerd Pichotta bringt es auf den Punkt: „Es ist viel Arbeit, aber es lohnt sich. Wir haben die Chance, echte Pionierarbeit zu leisten.“ Gelingt dies, könnten aus solchen Pilotprojekten bald alltägliche Angebote entstehen.
Foto: Michael Vogt (ZF Group)
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