Selbstständig im MDV-Gebiet unterwegs – das Mobilitätstraining für Senioren

24. Mai 2023 | Lesezeit: ca. 6 Minute(n)
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Wie steigen Senioren und Seniorinnen am sichersten in einen Bus ein? Und wie schaffen sie es, stolperfrei aus einer Bahn auf den Bordstein zu treten? Diese Fragen wurden beim Mobilitätstraining für Seniorinnen und Senioren des Mitteldeutschen Verkehrsverbunds und der Personennahverkehrsgesellschaft Merseburg-Querfurt GmbH (PNVG) nicht nur theoretisch beantwortet. Bei einer extra organisierten Bustour durch die Stadt bauten die Rentner und Rentnerinnen ihre Ängste ab, um künftig sorgloser mit dem ÖPNV zu fahren.

Wenn der Sommer kommt, möchte sie wieder öfter Bus fahren, sagt Edelgard. Die Blumen auf dem Grab ihres Mannes müssen gepflegt werden. Wenn sie nicht kommt, verdorren sie an den heißen Tagen. Die 83-Jährige ist Bewohnerin des Seniorenheims "Haus Saaleblick" in Merseburg. Heute, es ist ein sonniger Morgen im Mai, nimmt sie am Mobilitätstraining "Barrierefrei" teil. Gerade reiht sie sich mit 25 anderen Rentnerinnen und Rentnern vor einem für diese Veranstaltung organisierten Kleinbus auf. Hier üben sie gleich Ein- und Aussteigen.

Etwa die Hälfte der Teilnehmenden fährt schon länger nicht mehr mit dem ÖPNV. Aus Angst vor der ruckeligen Fahrt, weil sie weder Zeiten noch Verbindungen kennen, weil sie nicht wissen, wo sie ein Ticket kaufen können. Oder, das sagen manche, weil sie "den Betrieb nicht aufhalten wollen" und "zu langsam sind". Dieses Denken soll sich heute ändern.
Denn der ÖPNV ist für jeden und jede da.

Das heutige Mobilitätstraining ist eine gemeinsame Veranstaltung der Personennahverkehrsgesellschaft Merseburg-Querfurt GmbH (PNVG) und des Mitteldeutschen Verkehrsverbunds (MDV) und richtet sich speziell an ältere Menschen. Ziel ist es, ihnen die Angst vor dem ÖPNV zu nehmen. Die Teilnehmenden sollen ein Stück Selbstständigkeit und Flexibilität zurückbekommen, damit sie auch ohne Auto kleinere Einkäufe erledigen oder Freunde und Familie besuchen können. Ganz wichtig ist das Thema Sicherheit: Die Seniorinnen und Senioren sollen lernen, wie sie ohne zu stolpern ein- und aussteigen, wo sie ihren Rollator sicher abstellen und wie sie sich während der Fahrt richtig verhalten.

Mobilitätstraining Merseburg
Busfahrerin Iris Spatzier

Warum das so wichtig ist, das weiß Busfahrerin Iris Spatzier. Sie hat erst vor wenigen Wochen erlebt, wie eine ältere Frau aus ihrem Bus stürzte. "Ich habe es im Rückspiegel gesehen", sagt sie. "Die Frau wollte ihren Rollator vor sich aus dem Bus heben." Das ist gefährlich: Der Rollator kippte die Stufe des Busses hinunter auf die Straße. Die Frau konnte ihn nicht halten, hat aber auch nicht losgelassen. "Sie ist hinterher gefallen", sagt Spatzier. Für sie war es der zweite Unfall dieser Art und sie will nicht noch einen miterleben. Deswegen erklärte sie sich sofort bereit, beim heutigen Mobilitätstraining mitzumachen.

Mobi-Team des MDV informiert

Die Theorie liegt schon hinter den Seniorinnen und Senioren. Die letzte Stunde verbrachten sie in einem abgedunkelten Veranstaltungsraum im Haus Saaleblick und lauschten dem MDV-Mobi-Team. Das sind Laura Klein und Manuela Schäfer. In der Präsentation der beiden Mobilitätsberaterinnen gab es viel Wissenswertes rund um den MDV zu erfahren: von der Geschichte des Verkehrsverbundes (Gründung im Jahr 2001) über die Streckenleistung aller 13 zugehörigen Verkehrsunternehmen (etwa fünf Erdumrundungen pro Tag) bis hin zu aktuellen Ticket-Angeboten (wie dem Abo-Aktiv, bei dem bis zu drei Kinder und ein Hund mitfahren können).

Unter Applaus stellten die zwei Frauen auch die neue Stadtbuslinie vor. Mehr Verbindungen und eine bessere Anbindung. "Wer hinter dem Seniorenwohnheim einsteigt, kann jetzt bis zum Merseburger Dom fahren. Das ging vorher nicht", sagte Manuela Schäfer.

Vor allem aber zeigte das Mobi-Team, dass der ÖPNV barrierefreier wird: mehr Niederflurwagen ohne Stufen, mehr Fahrzeuge mit Handrampe, die bei Bedarf ausgeklappt wird, mehr Bahnsteige im gesamten Gebiet, die beispielsweise mit Aufzügen, Blindenstreifen und Infosäulen mit Sprachausgabe ausgestattet sind. "Es geht voran", sagte Laura Klein zum Ende der Theorieeinheit, "aber es dauert noch, bis der gesamten Verkehrsverbund modernisiert ist."

Mobilitätstraining Merseburg

Manuela Schäfer (rechts) vom MDV-Mobi-Team

Bis dahin ist es wichtig, dass sich ältere Menschen trotzdem trauen, mit Bus und Bahn zu fahren. Die Möglichkeit zum Üben haben sie jetzt beim Mobilitätstraining – unter den wachsamen Augen von Busfahrerin Spatzier. "Ich muss einen langen Hals machen, damit ich sehe, ob sich alle richtig anstellen", murmelt diese gerade. Da bemerkt sie schon, dass Seniorin Edelgard noch Hilfestellung gebrauchen kann.

Edelgard hat beim Einsteigen den Haltegriff losgelassen. "Immer eine Verbindung zum Bus herstellen", rät Spatzier, die ihr schon zu Hilfe geeilt ist. Sie zeigt, wie es geht. "Zuerst den Knopf mit dem Rollstuhl- oder Kinderwagensymbol drücken", erklärt die Busfahrerin. Dann bleibe die Bustür offen und schließe nicht nach drei Sekunden. "So kommt kein Stress auf." Dann mit dem Rollator bis an die Busstufe fahren. Spatzier legt nun sanft ihre Hand auf den Rücken der Seniorin, um sie zu stützen. "Jetzt wie bei einer Sackkarre den Fuß unten draufstellen. So heben sich die Vorderräder und der Rollator ist schon im Bus." Einsteigen, immer eine Hand an den Haltegriffen, und den Rollator verstauen.

Im Gegensatz zu Edelgard ist Friedrich, 85, Busprofi. Wie er das mit dem Rollator macht, wenn er in den Bus einsteigt? "Ganz einfach", sagt Friedrich: "Ich trage ihn." Mit einem Griff klappt er seine Gehhilfe zusammen und trägt sie wie eine Einkaufstasche. "Einsteigen, verstauen, Platz suchen." Friedrich fährt zwei-, dreimal die Woche Bus. Üben möchte er es trotzdem.

"Aber nie, nie, nie während der Fahrt auf dem Rollator sitzen", mahnt Spatzier die Teilnehmenden gerade. "Sondern Feststellbremse an und ab auf einen freien Platz." Edelgard protestiert: "Aber manchmal ist es voll. Und die Jugend steht nicht auf." "Dann sprechen Sie Ihre Mitfahrenden aktiv an. Manche brauchen eine kleine Ermunterung", sagt Spatzier und lacht. "So. Jetzt üben wir das Aussteigen. Das geht wie Einsteigen, nur rückwärts. Und dann wiederholen wir alles fünfmal. Dann waren wir sportlich."

Mobilitätstraining gibt Sicherheit

Auch die Sozial- und Kulturmanagerin vom Haus Saaleblick, Irina Oberländer, findet die Veranstaltung gelungen. Sie war die ganze Zeit anwesend und stand ihren Bewohnerinnen und Bewohnern mit Tipps zur Seite. Ihr Resümee: "Wir sind sehr glücklich, dass der MDV mit seinem Seniorentraining bei uns in Merseburg Halt gemacht hat. Für unsere Seniorinnen und Senioren ist die Unterstützung durch den ÖPNV sehr wichtig. Zum Beispiel, wenn sie zum Arzt gehen, einkaufen oder kulturelle Veranstaltungen besuchen wollen."

Seniorin Anita: "Ich weiß jetzt, was ich alles nicht machen soll."

Im Anschluss ans Mobilitätstraining machen die Senioren und Seniorinnen eine kleine Rundfahrt mit dem Bus. Die Stimmung ist gelöst. Edelgard, die neben der 85-jährigen Anita sitzt, sagt: "Ich gebe zu, ich saß während der Fahrt auch schon mal auf dem Rollator. Ich werde mich aber bemühen, das nicht mehr zu machen." Und Anita fügt hinzu: "Das war ein wirklich informativer Vormittag. Ich weiß jetzt, was ich alles nicht machen soll." Ab jetzt ist Bus fahren für die beiden hoffentlich wieder das, was es sein soll: verbindend.

Bildquellen: Jasmin Zwick


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