Skatstadt Altenburg – Perle an der Pleiße
An dieser Stelle rücken wir die Schmuckstücke des MDV-Gebietes ins Rampenlicht. Unsere Autorinnen und Autoren erkunden die Städte auf eigene Faust. Die einzige Bedingung: die Anreise erfolgt mit Bus und/oder Bahn.
Für diese Ausgabe waren wir in Altenburg, einer thüringischen Stadt rund 40 Kilometer südlich von Leipzig mit etwa 31.000 Einwohnern. Die „Perle an der Pleiße“, einst bedeutende Handelsstadt an den Fernhandelswegen Via Imperii und Via Regia, feiert 2026 ihren 1050. Geburtstag.
Es ist Samstag, kurz nach halb zehn. Wir stehen in Leipzig an der S-Bahn Station Wilhelm-Leuschner-Platz und warten auf die S5X. Die S-Bahn-Linie startet in Halle (Saale) und fährt dann Richtung Süden – mit Leipziger Stopps am Markt, Bayrischen Bahnhof, MDR und in Connewitz.
Bis Altenburg braucht die Bahn nur 34 Minuten. So schnell hätten wir es mit dem Auto nicht geschafft! Rechnet man die sechs Minuten langsamere S5 mit ein, fährt von Leipzig aus etwa jede halbe Stunde ein Zug in die ehemalige Residenzstadt.
Kaum sitzen wir auf unseren Plätzen, packen wir die Karten aus. Wir gießen Kaffee in unsere Becher und beginnen zu spielen. Wie beim Skat üblich, reizen wir so hoch es unser Blatt erlaubt – 18, 20, 22, 23, weg. Viel Zeit bleibt nicht. Nach drei Runden sind wir schon da.
Kurze Wege, ruhige Plätze
Wir erkunden die Stadt bewusst zu Fuß. Das geht hier gut. Altenburg ist eine Stadt der kurzen Wege. Bis zu unserem ersten Ziel, dem Spielkartenmuseum im Residenzschloss, sind es anderthalb Kilometer. Ein Katzensprung. Wir passieren das Lindenau-Museum, das im Moment wegen Umbauarbeiten geschlossen ist, und gehen durch den hügeligen und angenehm ruhigen Schlosspark hoch bis zur Orangerie. Von der gegenüberliegenden Pension und Weinstube Hofgärtnerei aus können wir schon die Türme der barocken Schlosskirche sehen. Über den imposanten Hof des Schlosses betreten wir das Spielkartenmuseum, das älteste und umfangreichste seiner Art in ganz Europa. Neben der Geschichte des Kartenspiels im Allgemeinen und der Entwicklung des Skat-Spiels im Besonderen ist auch der Nachbau einer historischen Werkstatt Teil der Ausstellung. Wer selbst mal Druckerschwärze an den Händen haben will, ist dagegen in der interaktiven KartenMACHERwerkstatt des Schlosses genau richtig. Hier geben Kartendruckmeister spannende Einblicke in ihr Handwerk – und am Ende nimmt jede/r Teilnehmende eine eigene Druckgrafik mit nach Hause. Nach einer Stunde haben wir nicht nur jede Menge über das Kartenmacherhandwerk gelernt, sondern auch ein neues Skatblatt aus dem Museumsshop in der Tasche.
Exkurs: Skat – Die Geschichte eines Spiels
Was nicht alle wissen: Altenburg ist der Geburtsort des Skatspiels. Anfang des 19. Jahrhunderts – genauer gesagt um das Jahr 1813 – traf sich im Gasthaus „Zum Bürgersaal“ regelmäßig eine Runde Männer – darunter Ratsherr Carl Christian Adam Neefe, Mediziner Dr. Johann Friedrich Ludwig Hempel, Hofadvokat Carl Ferdinand Hausmann und der Lehrer Carl Heinrich Schenk. Sie spielten leidenschaftlich gern Karten, zum Beispiel Schafkopf. Aber sie suchten nach etwas Neuem, nach ihrem eigenen Kartenspiel.
An langen Abenden tüftelten sie an neuen Regeln, diskutierten, probierten aus und kombinierten Elemente verschiedener Spiele. So entstand nach und nach Skat – ein Kartenspiel, das mit drei Spielern und einem „Skat“, also einem Reserve-Stapel aus zwei Karten, gespielt wird.
Auch später blieb Altenburg das Zentrum des Skatspiels. 1886 gründeten begeisterte Spieler hier den ersten Deutschen Skatverband. Die Stadt feiert ihre Rolle als „Skatstadt“ bis heute – mit einem Spielkartenmuseum und zahlreichen Veranstaltungen wie dem jährlichen Altenburger Spielfestival.
Ein Stadtspaziergang
Wir wollen noch mehr von Altenburg sehen und schlendern den Schlossberg hinunter, vorbei am Theater Altenburg Gera in Richtung Marktplatz. Bevor wir uns dort umsehen, holen wir uns noch eine Portion Glück am Skatbrunnen in der Burgstraße. Wer hier seine Karten im Brunnenwasser tauft, hat angeblich immer Glück im Spiel. Zur Sicherheit reiben wir auch noch an der glänzenden Kupfernase des Glücksschweins, dem wahrscheinlich süßesten Wasserhahn der Stadt.
Keine 200 Meter weiter, oben in der Pauritzer Straße 2, befindet sich der historische Friseursalon Altenburg. Peter Müller, Vorsitzender des Fördervereins, führt uns persönlich durch die original erhaltenen Räume. Die schweren lederbezogenen Frisierstühle wirken, als könnte jeden Moment Kundschaft zur Dauerwelle vorbeikommen. Die Waschtische – allesamt aus italienischem Marmor – glänzen noch heute wie neu. Selbst die Gas- und Elektroinstallationen wurden im Stil der 20er-Jahre rekonstruiert. Zu sehen sind außerdem zahlreiche liebevoll erhaltene Utensilien des alten Friseurhandwerks. Genauso unersetzlich wie die Maschinen, Werkzeuge und Flacons selbst sind die Geschichten, die Peter Müller zu jedem einzelnen Stück erzählen kann. Kein Wunder also, dass der historische Friseursalon 2016 mit dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege in der Kategorie Sonderpreis ausgezeichnet wurde.
Im Freisitz des Ratskellers, schräg gegenüber des Altenburger Spielekartenladens – dem größten Spielkartengeschäft in Deutschland – am Marktplatz, machen wir eine Pause und schauen uns um. Am Ende der Straße leuchtet der rote Backstein der neugotischen Brüderkirche. Auf dem Markt herrscht entspanntes Treiben. Überall auf den vielen Bänken sitzen Menschen – allein oder ins Gespräch vertieft. Bei einem Blick auf die Karte fällt uns auf, dass hier Gerichte mit Altenburger Safran angeboten werden. Safrananbau in Thüringen? Das überrascht uns. Wir wollen mehr erfahren!
Exkurs: Safran in Altenburg
Safran wird in Altenburg schon seit über 500 Jahren angebaut. Crocus sativus, wie er auf Latein heißt, taucht in den Rechnungsbüchern der Altenburger Händler und Händlerinnen bereits im 15. Jahrhundert auf. Kultiviert wurden die Pflanzen auf großen, fruchtbaren Flächen in Ostthüringen. Das brachte der Region nicht nur Reichtum, sondern auch den Beinamen „Güldene Aue“ ein.
Safran ist ein bitter-herb-scharfes Gewürz, das getrocknet vorwiegend in der Küche verwendet wird. In der Heilkunde wird ihm eine stimmungsaufhellende Wirkung zugeschrieben. Außerdem nutzt man es bei der Parfümherstellung und als Farbstoff.
Während der Safranblüte im Oktober bieten verschiedene Anbieter Erlebnisse rund um das Gewürz an. Bei der Altenburger Tourismus GmbH kann man beispielsweise auf dem sogenannten Safran-Trail Stadtführungen mit anschließenden Verkostungen genießen.
Vom Marktplatz zum Nikolaiturm
Nach dem Essen schlendern wir hinüber ins Nikolaiviertel. In den schmalen Gassen südwestlich des Marktes reiht sich ein sorgfältig restauriertes Fachwerkhaus an das nächste. Wir laufen die Dechanei entlang und stehen wenig später auf dem Nikolaikirchhof. Der geschlossene Rundhof ist von kleinen, ebenfalls liebevoll modernisierten Reihenhäusern gesäumt. Unter den Linden in der Mitte des Hofes setzen wir uns auf eine Bank und genießen die entspannte Atmosphäre. Der Nikolaikirchturm ist gerade geschlossen und kann nur nach vorheriger Anfrage bestiegen werden, aber das tut unserer Stimmung keinen Abbruch. Für uns ist klar: Das Nikolaiviertel ist das schönste Viertel der Stadt.
Anreise mit dem ÖPNV
Mit der Bahn nach Weißenfels, Zeitz oder Bad Köstritz. Die Stationen des Klangspaziergangs sind jeweils gut zu Fuß erreichbar.
Kaffee, Kuchen und auf Wiedersehen
Bevor wir uns auf den Heimweg machen, trinken wir noch einen Kaffee im traditionsreichen Kaffeehaus Volkstädt in der Burgstraße. Das geht natürlich nicht, ohne eine der leckeren Torten von Konditormeister Kay Melwitz zu probieren. Das „Volkstädt“ ist das älteste Kaffeehaus Thüringens und wird seit über 140 Jahren betrieben. Und das bereits in fünfter Generation! Zufrieden, aber auch ein bisschen müde beschließen wir, oben an der St. Bartholomäikirche in den Bus zu steigen. Die Linie L der THÜSAC bringt uns in weniger als 10 Minuten zurück zum Bahnhof. Der Zug kommt erst in 20 Minuten. Wir packen die Skat-Karten aus und beenden unseren Besuch in Altenburg, wie er angefangen hat.
Eines ist sicher: Wir werden der Stadt schon bald den nächsten Besuch abstatten. Für manches hat die Zeit einfach nicht gereicht – etwa für die Interims-Ausstellungen des Lindenau-Museums oder den Inselzoo auf dem Großen Teich. Auch Altenburgs Classic-Open-Air und das Altenburger Musikfestival sind ein guter Grund, schon bald wiederzukommen.
Fotos: Stadt Altenburg und Altenburger Tourismus (Jens Hauspurg; Thomas Christians; Simon Buettner; Silke Arnold; Johannes Bondzio; Saskia-Landgraf; Michael Herrman; Claudia Weingart), THÜSAC, Texterkolonie